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Usedom rund 2002
Immer noch gibt es Inseln, die wir nicht umrundet haben! Deshalb machten wir, das sind die "Nordlichter" Siegfried und Roland sowie der Berichterstatter, uns auf, unseren Ruderkringel um die Insel Usedom zu machen. Am 5. Juli, es war ein sonniger Freitagmorgen, ging es los, nachdem wir unseren Bus mit einigen Tricks zum Anspringen überreden konnten. Mit von der Partie war der A-Zweier "Spree II", der mit Rücksicht auf die rauhen Küstenbedingungen eine Bugpersenning verpaßt bekam. Startpunkt der Ruderfahrt war der Anklamer Ruderclub, der zu diesem Zeitpunkt selbst eine Usedom-Umfahrt durchführte. Das war wichtig, weil die Fahrt über polnisches Gebiet führt und für das Passieren des Hafens Swinoujscie (Swinemünde) eine Sondergenehmigung erforderlich ist. Außerdem befindet sich die binnenseitige Grenzkontrollstelle mitten auf dem Oderhaff (bei Tonne 17, wenn's interessiert), und ist für Ruderboote bei ungünstigem Wetter kaum zu erreichen. Die Anklamer Ruderkameraden hatten die Formalitäten gleich für uns mit erledigt, und uns damit riskante Übungen erspart. Gegen 14 Uhr lag endlich das Boot fertig beladen am Steg und es konnte losgehen. Die Anklamer, in einem gedeckten Zweier m. Stm. und einem gedeckten Dreier m. Stm. unterwegs, waren bereits etwas vor uns gestartet. Bei bestem Ruderwetter ging es die Peene stromab und dann ostwärts mit leichtem Seitenwind über das Oderhaff. Tagesziel war Kamminke, der letzte Ort vor der polnischen Grenze. Hier gibt es gute Zeltmöglichkeit am Ufer und auch eine vom Bürgermeister betriebene Strandkneipe. Dort erfuhren wir dann bei Räucherfisch und Bier, daß das Oderhaff wochenlang wegen starker Wellen quasi unpassierbar für kleinere Boote war. Wir hatten tatsächlich den ersten brauchbaren Tag erwischt! Obwohl es uns Wanderruderern fast nie gelingt, beim Publikum Aufmerksamkeit für unsere Aktionen zu erringen, war doch ein Fan-Club mit dem Namen "Bundesgrenzschutz" angetreten, der sich lebhaft für unsere Fahrt interessierte. Auch am nächsten Morgen bei der Abfahrt waren sie zur Stelle und sehr verschnappt, weil die Anklamer vor der verabredeten Zeit gestartet waren. Die kurzen Wellen auf dem Haff machten uns zu schaffen, und so waren wir froh, endlich in den Kanal Piastowski (Kaiserfahrt) einbiegen zu können, mit dem die Durchfahrt zur Ostsee beginnt. Nach einigen Kilometern war die Swine erreicht, die wir jedoch gleich wieder verließen, um durch den Kanal Mielinski (Mellinfahrt) etwas abzukürzen. Dann der Hafen Swinemünde. Mit unserer Nußschale hart vorbei an den großen Pötten, immer mit schiefem Blick nach oben, ob nicht irgend ein Smutje gerade seinen Eimer über der Reling auskippt. Nun hatten wir noch unsere Gesichter beim polnischen Zoll zu zeigen. Weil der seine Schäfchen beisammen haben wollte, trafen wir dort die Anklamer wieder, die schon ungeduldig mit den Hufen scharrten. Wir wollten es weiterhin gemächlich angehen lassen und trennten uns hier von den Anklamer Ruderkameraden mit herzlichem Dankeschön für die Gastfreundschaft und Hilfe bei der Organisation, was von dieser Stelle wiederholt wird. Die Swinemündung ist von Molen eingefaßt, die sich in weitem Bogen in die See hinausschwingen. Endlich hatten wir sie passiert und freien Blick bis zum Horizont. In schier endloser Folge dehnten sich die Badestrände mit ihrem bunten Treiben. Uns aber umgab die Ostsee im Licht der Nachmittagssonne und wiegte uns in sanfter Dünung. Das war einer der seltenen Momente, die uns ahnen lassen, was Freiheit ist. Schließlich nahmen wir wieder Fahrt auf und schipperten längs der Küste nach Nordwest. Irgendwo zwischen Bansin und Ückeritz befanden wir den Strand für leer genug, um mit unseren Zelten nicht aufzufallen, und zogen unsere "Spree II" auf den Strand. Dank der Bootsrollen, die Roland aus alten Feuerwehrschläuchen gebaut hatte, war das eine leichte und bootsschonende Übung. Mit einem reichhaltigen Abendbrot aus Rolands Küche und einer Verdauungszigarre ging dieser an Eindrücken reiche Tag zu Ende. Morgens mußten wir feststellen, daß jemand in unseren Vorräten geräubert hatte. Wir dachten zunächst an irgendein Getier, aber frische Fußspuren am Steilhang hinter den Zelten deuteten darauf hin, daß der Übeltäter unserer eigenen Spezies angehörte. Nachdem uns ähnliches bereits auf früheren Fahrten passiert ist, nehmen wir an, daß sich unsere gute Küche bereits herumgesprochen hat. Für ein ausgiebiges Frühstück langte es noch allemal, und auch für das Mittagessen hatten wir noch Reserven. Das änderte sich jäh, als bei der Mittagsrast eine hinterlistige Welle unseren Kocher, der im Windschatten des Bootes aufgebaut war, umriß und unsere Paprikaschoten (gefüllt selbstverständlich) in Neptuns Reich entführte. Wir trösteten uns mit einem Landgang in Zinnowitz, wo wir das uns mittags Entgangene bei Kaffee und Kuchen nachholten. Auf der Suche nach einem brauchbaren Zeltplatz kamen wir schließlich noch bis zum Niemandsland zwischen Trassenheide und Karlshagen. Von dort sind es nur noch ein paar Kilometer bis zum Peenemünder Haken, also zum Ende der Ostseeküste Usedoms. Es war aber erst Sonntag, wir waren also viel zu schell. Deshalb wurde der nächste Tag zum Gammeltag erklärt. Bei Küstenfahrten kann einem das Wetter immer einen Strich durch die Rechnung machen. Deshalb hatten wir reichlich Zeitreserve eingeplant, die wir wegen des schönen Wetters nicht brauchten. Unsere dezimierten Vorräte hatten ohnehin eine Auffrischung dringend nötig. Roland und Siegfried besorgten alles Nötige aus Karlshagen, während ich den Wachhund vor unseren Zelten spielte. Ansonsten verbrachten wir den Tag damit, das Strandleben zu beobachten, das manchmal Interessantes zu bieten hatte. Weil aber Faulenzerei bestraft wird, frischte der Wind im Laufe des Tages deutlich auf. In der Annahme, daß auch der Wind menschliche Regungen zeigt und nachts schläft, wurde beschlossen, bereits früh um 7 Uhr in See zu stechen. Er war aber munterer als wir, als wir das Boot durch die Brandung schoben und dabei einige kräftige Schwapper kassieren mußten. Weiter draußen war das Vergnügen ungetrübt. Nach gründlichem Lenzen schaukelte uns unsere tapfere "Spree II" durch die langen Wellen, als sei das ihre ureigenste Bestimmung. Vorbei an einigen Wracks, die noch von der kriegerischen Vergangenheit dieses Landstrichs zeugen, erreichten wir bald den Peenemünder Haken. In der Morgensonne lag die Insel Ruden vor uns. Eine kurze Verständigung ergab, daß alle dorthin wollten. Also los. Der größte Teil des Weges führt durch flaches Wasser mit entsprechend mühsamem Vorwärtskommen. Erst etwa 1,5 km vor dem Ruden wird es tief. Der Nordost sorgte in der Nähe der Insel, wohl wegen der dort vorhandenen Betonbollwerke, für kabblige kurze Wellen. Ohne größere Probleme kamen wir aber bis zur Nordspitze und dann in den Windschatten der Insel. 2 Durchlässe in dem Steinwall des Westufers erlauben bequemes Anlegen. Auf der Insel eine Ansammlung von Bäumen, mit etwas Wohlwollen Wald zu nennen. Darin versteckt ein paar Gebäude, von einem Naturschutzbeauftragten bewohnt. Das Südende der Insel wird dominiert von einem Flakturm aus Peenemünde's Raketenschmiede-Zeit. Am Ostufer befindet sich ein Nothafen. Uns hielt es nicht lange dort, denn der Wind schien an Stärke zuzunehmen. Die Rückfahrt Richtung Peenestrom bei Seitenwelle war dann auch ungemütlich, aber ohne Schwierigkeiten. Gegen Mittag war der Hafen Peenemünde erreicht. Ein U-Boot der ehemaligen Sowjetflotte, wie ein schwarzes Ungeheuer lauernd, und einige Kriegsschiffe aus DDR-Besitz geben eine bedrohliche Kulisse. Die Historie des Ortes erforderte einen Landgang. Ein Förderverein ist bemüht, die Ereignisse und Hintergründe bei der Wandlung des einstigen Fischerdorfes zu einem Hochtechnologiekomplex zu dokumentieren und den Besuchern zu vermitteln. Zu diesem Zweck ist im ehemaligen Kraftwerk, einem gewaltigen Backsteinbau, eine Ausstellung eingerichtet. Mit vielen Exponaten und Schautafeln wird der Entwicklungsweg der ersten Großrakete A4 nachgezeichnet. Dabei wird der Zwiespalt offenbar, der darin liegt, daß diese technische Pionierleistung letztlich ein Mordinstrument war, und ihre Schöpfer den Tod tausender Zwangsarbeiter bereits bei der Produktion billigend in Kauf nahmen. Nach diesem Ausflug in die Vergangenheit richteten wir auf der Suche nach einem geeigneten Zeltplatz unseren Bug wieder stromauf. Dabei kamen wir noch bis nach Wolgast und zelteten auf dem Gelände des Rudervereins. Bei einem kräftigen Abendessen im "Alten Speicher" ließen wir den Tag ausklingen. Mit Rücksicht auf unsere unverbrauchte Zeitreserve war nun noch ein Abstecher zum Achterwasser fällig. Von den Wolgaster Ruderkameraden, die uns übrigens sehr freundlich aufnahmen, hatten wir Tips für gute Lagerplätze bekommen. Am späten Vormittag ließen wir Wolgast hinter uns und gelangten über Peenestrom und Krumminer Wiek zum Gnitz. Dort vor dem Weißen Berg entfaltete Roland wieder seine Kochkünste. Frisch gestärkt ging es weiter zum Lieper Winkel, um die Halbinsel Cosim herum bis nach Balm. Dort sollte ein guter Zeltplatz sein. Zu unserer Überraschung tauchte ein prächtiges Gebäude hinter den Schilfwäldern auf, das man in dieser ländlichen Gegend nicht vermutete. Wohlgekleidete Herren, kleine Wägelchen hinter sich herziehend, brachten die Erklärung: Es war das "Golfhotel Balmer See". Etwas ratlos liefen wir das Gasthaus in Balm an, welches von der Wirtin stolz als "Biergarten des Golfhotels" bezeichnet wurde. Unsere kleinlaute Frage nach Zeltmöglichkeit wurde rigoros abschlägig beschieden. Also blieb uns nach kurzer Stärkung nur der Rückzug. Die endlosen Schilfmauern ließen die Zeltplatzsuche ziemlich erfolglos scheinen. Doch eine kleine Lücke im Schilf, kaum 20 m breit und von uns aus der Ferne erspäht, erwies sich als Badestrand und Tor zum gelobten Land. Dahinter ein Rastplatz vom Feinsten. Der Rasen kurzgeschoren, Tische und Bänke, Lagerfeuer- und Grillplatz vorhanden, sogar eine Toilette mit Papier. Welch Glück für uns, daß Golfer auch mal baden wollen! Es wurde ein gemütlicher Abend. Roland war gerade bei der 4. Zigarre, als ein in der Nähe parkender Camper angehetzt kam: Ob wir nicht wüßten, Orkanwarnung für Usedom. In dem Moment bogen sich auch schon die Bäume, und das Unwetter, das so viele Schäden angerichtet hat, war über uns. Wir hatten aber den besten Zeltplatz der ganzen Fahrt, und konnten den Ereignissen gelassen entgegensehen. Unsere Zelte wurden zwar vom Sturm zeitweilig plattgedrückt, aber nach einer Stunde war alles überstanden. Am nächsten Morgen ging es wieder zurück zum Peenestrom. Noch einmal mußte sich unsere "Spree II" bewähren, denn ein frischer Südwest bescherte uns eine unruhige Fahrt. Wir hatten von den Wolgastern noch einen Lagerplatz-Tip für den Peenestrom, wo wir letztmalig unsere Zelte aufstellen wollten. Nach einem Mittagshalt in Lassan machten wir uns an die Zeltplatzsuche. Kilometer um Kilometer begleitete die Schilfwildnis unsere Fahrt. Schließlich, es ging schon auf den Abend zu, bot ein Anglergrundstück die einzige Anlegemöglichkeit. Aber nach brauchbarem Zeltplatz sah das auch nicht aus. Also weiter. Als wir dann die Zecheriner Brücke vor uns sahen, war klar, daß dies der letzte Tag unserer schönen Fahrt war. Die letzten 10 Kilometer , die Peene aufwärts, lagen vor uns. Gegen 21 Uhr erreichten wir das Bootshaus des Anklamer RC. a.hill
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